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Über die Liebe zur Welt

Interview mit Robin L’Houmeau aus „La déesse des mouches à feu

Obwohl der Großteil des Filmteams von La déesse des mouches à feu leider bereits Montag den Weg zurück nach Kanada angetreten hat, hatte ich zu meiner Freude doch noch die Möglichkeit ein Interview mit Robin L’Houmeau - dem Schauspieler von Keven - zu führen.
Ich werde herzlich von Robin begrüßt, als wir uns am Dienstagnachmittag vor dem CinemaxX treffen, und wir machen uns auf den Weg in einen gemütlichen Raum in einem der naheliegenden „Berlinale-Gebäude“. Nachdem wir uns ein bisschen über die großartige Stimmung auf dem Festival ausgetauscht haben, ist Robin bereit für meine Fragen.


fGR: Wie bist Du zum Film gekommen? Hattest du einen persönlichen Grund, wieso du daran mitwirken wolltest?

Robin: Zum Film bin ich durch ein normales Casting gekommen. Ursprünglich habe für eine andere Rolle vorgesprochen - für Pascal, Catherines ersten Freund im Film. Dann wurde ich aber doch für Keven ausgewählt. Als ich zugesagt habe hatte ich nicht einmal das ganze Drehbuch gelesen, weil es für mich eher um die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Anaïs Barbeau-Lavalette ging. Ich finde ihre Filmarbeit und ihre Philosophie wirklich toll und wusste außerdem, dass auch das restliche Team aus tollen Schauspielern in ihren Zwanzigern bestehen würde, deswegen wollte ich das sehr gerne als Erfahrung mitnehmen. Die Geschichte war dazu auch noch sehr kraftvoll und meine Liebe für die Geschichte wuchs mit den Visionen vom Team.

fGR: Keven ist ein sehr tiefgründiger Mensch mit besonderem Charakter, hast Du dich irgendwie besonders auf die Rolle vorbereitet?

Robin: Ich habe viel zum Thema Depressionen recherchiert und ich hatte auch einige Gespräche mit Menschen, die daran leiden, um zu erfahren was zum Beispiel einen Anxiety-Anfall auslöst oder wohin man gehen kann. Auch wenn Keven nichts davon tut und sehr in sich gekehrt ist, war es für mich interessant die Geschichten von Menschen zu hören. Ich glaube es war sehr gelungen, weil alle Rollen mit Leuten besetzt wurden, die auch im echten Leben sehr passend sind. Zum Glück habe ich großartige Menschen um mich herum, die mir helfen können mit Dingen umzugehen, mit denen Keven nicht umgehen konnte.
Nach den Recherchen hat sich das meiste dann aus Anaïs Anweisungen ergeben, und mit der Zeit wachsen die Emotionen aus einem heraus und man wird zur Rolle - was immer es ist, das Anaïs' für ihre Geschichte teilen wollte.


fGR: Mir hat die Figur von Keven und die Beziehung zwischen ihm und Cat sehr gefallen. Ich hatte das Gefühl, dass sie eine tiefere Bindung hatten, obwohl sie nicht viel miteinander geredet haben. Wurde Euch beiden etwas über die Chemie zwischen ihnen von der Regisseurin gesagt oder hat sich das einfach aus dem Spielen entwickelt?

Robin: Ich denke es war einerseits wegen der Art wie die Geschichte geschrieben ist - weil es echt gut geschrieben ist. Dadurch habe ich die Vorstellung davon bekommen wie Keven und seine Beziehung zu Cat sein sollten. Wenn eine Geschichte gut geschrieben ist, dann verstehen beide Schauspieler wie die Chemie sein sollte. Man muss vielleicht eine Art emotionale Intelligenz entwickelt haben, um die Chemie aus sowas herauszulesen.

Andererseits spielt es natürlich eine große Rolle wie der Film gedreht wird, wenn er mit einer ganz anderen Kamera gedreht worden wäre, wäre wahrscheinlich ein völlig anderer Film entstanden. Die Chemie zwischen Rollen wird also nicht nur durch die Art vom Spielen geschaffen, sondern auch durch die Art wie das Licht gemacht wird, wie die Kamera sich bewegt, wie nah wir an den Charakteren sind und so weiter. Ein paar Monate vor den Dreharbeiten sind wir alle zusammen auf eine Hütte gefahren, um uns zu kennenzulernen und Verbindungen zu schaffen, so dass Kelly Depeault, die die Catherine spielt, und ich Freunde wurden. Auch in echt sind unsere Persönlichkeiten ziemlich verschieden, aber ergänzen sich in einer Weise, deshalb bin ich wirklich dankbar mit jemandem wie Kelly zusammengearbeitet zu haben. Aber auch das ist natürlich eine Frage der Besetzung - Anaïs hat die menschliche Verbindung zwischen Kelly und mir gespürt und wusste, dass die Chemie da sein und das Publikum erreichen würde.

fGR: Im Film hat mir besonders die Musik gefallen und finde sie war sehr passend in den einzelnen Szenen. Wusstest ihr schon beim Drehen, welche Lieder am Ende im Film sein würden?

Robin: Die meisten schon. Es wurden zwar ein paar nachträglich geändert, sodass wir mit einem ganz anderen Song geprobt haben, aber die meisten wurden beibehalten. Während der Proben hatte jeder am Set das Lied auf den Ohren, um in die richtige Stimmung zu bekommen - natürlich wir Schauspieler, aber auch der Kameramann, der Tonmeister und Anaïs. Wie zum Beispiel die Version von „Rock ’n' roll Suicide“, die gespielt wird als Cat und Keven mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren, oder die Szene, in der Cat um das Feuer tanzt und zur "Göttin der Glühwürmchen" wird. Anaïs hat uns auch ein paar Lieder gezeigt, die zwar nicht im Film vorkommen würden, aber uns für die Charaktere inspirieren könnten. Ich hatte zum Beispiel eine Liste von Liedern, die Keven hören würde, wenn er in echt existieren würde.

fGR: Und hast Du den Film eigentlich gesehen, bevor er hier auf der Berlinale gezeigt wurde?


Robin: Es war ja die Weltpremiere am Samstag, also habe ich ihn vorher nicht gesehen. Es gab zwar einige Leute aus dem Team, die ihn davor gesehen haben, aber ich habe mich dagegen entschieden, weil ich ihn hier mit dem Publikum das erste Mal sehen wollte um die Atmosphäre mitzubekommen. Es ist auf jeden Fall toll einen Film nur mit dem Team zu sehen, und ich möchte das auf jeden Fall irgendwann tun, aber ich liebe es den Film zusammen mit dem Publikum zu sehen, weil das Publikum für mich ein großer Teil des Filmes ist. Wenn ich ins Kino gehe, erwarte ich irgendwie, dass jeder voll auf den Film konzentriert ist und ich liebe die Stimmung und die Energie, die man bekommt, wenn im Film etwas passiert und jeder im Publikum es spürt. Für mich ist das eine der besten Dinge von Kino.

fGR: Ja das finde ich auch, deswegen liebe ich die Berlinale so sehr, weil hier einfach nur Menschen ins Kino gehen, die sich wirklich für die Filme und Themen interessieren, und nicht einfach nur einen Hollywood Film sehen möchten.

Robin: Genau! Die Leute wollen die Filme tatsächlich sehen und sind nicht wegen des Glamours oder etwas anderem hier.

fGR: Und wie war es dann für Dich den Film hier zu sehen? War er so wie Du es erwartet hast?

Robin: Ich glaube nicht. Natürlich hat man immer eine Art Erwartung wie er sein wird, aber ich war ja gar nicht beim ganzen Dreh dabei. Ich glaube, die Dreharbeiten dauerten 30 Tage und Kelly war die ganze Zeit dabei, aber ich war nur 15 Tage da - ich wusste also bei der Hälfte der Szenen nicht, wie sie gedreht wurden oder was beim Spielen herauskam. Zum Beispiel bei der Szene als die Skating Geräusche zu Wellenrauschen werden: Als ich das Samstag gesehen hab war ich völlig beeindruckt von der Kreativität. Ich war zwar beim Set und habe gesehen, dass Aufnahmen vom Skaten gemacht wurden, aber ich hätte niemals gedacht, dass daraus sowas viel größeres wird. Anaïs hat uns immer das gesagt was notwendig war, aber in ihrem Kopf hat sie immer den kompletten Film gesehen.

fGR: Hast Du denn das ganze Skript gelesen oder nur Deinen Teil?

Robin: Das gesamte Skript habe ich ein oder zwei mal gelesen und mich dann auf meine Stellen fokussiert. Für mich gehört es irgendwie dazu alles zu lesen, wenn man an einem Film mitwirkt. Ich hatte zwar zum Beispiel auch eine Fernsehshow in Quebec, bei der ich nur die Parts von meinem Charakter gelesen habe, weil es eine ziemlich große Story hat und es nicht unbedingt wichtig war zu wissen, was andere Charaktere machen. Aber für das Mitwirken an einem Film finde ich es schon besser, alles zu lesen.

fGR: Wie lange hat das ganze Filmprojekt für Dich gedauert? Und wann habt ihr genau gedreht - das meiste scheint ja im Sommer zu spielen, aber es gibt auch ein paar Szenen wo es kälter ist?

Robin: Ich hatte die Rolle sicher ungefähr drei Monate vor Drehbeginn. Aber ich weiß, dass seit mehreren Jahren vor hatte, diesen Film zu machen, nachdem sie das Buch dazu gelesen hatte. Für sie war es also ein ganz schön langer Prozess.
Aber für mich waren es tatsächlich nur diese drei Monate und dann die 15 Drehtage, danach habe ich bis letzten Samstag eigentlich nichts vom Film gehört. Das meiste haben wir im Juli und August 2019 gedreht. Aber die Szenen am Ende des Filmes, wo es kälter ist, haben wir ganz zu Beginn gedreht, nachdem feststand in welcher Besetzung gedreht werden würde. Da wurde die Kamera mitgenommen, als wir etwas geprobt haben, und diese Szenen aufgenommen.



fGR: Zum Schluss würde ich Dich gerne noch etwas persönlicheres Fragen: Am Samstag beim Q&A meintest du beim Schauen des Filmes sei dir aufgefallen, wie sehr Du als Mensch seit dem gewachsen bist. Was meinst Du damit?

Robin: Ich glaube, im Laufe dieses Jahres habe ich angefangen mehr das Bewusstsein für mich selbst und meine Gefühle zu spüren. Ich habe vieles verändert - ich habe angefangen viel zu Lesen, habe angefangen anders zu essen und das Leben zu sehen, habe viel darüber nachgedacht wie ich meine Freunde und mich selbst behandle, was ich mit anderen Menschen teile und so weiter. Ich glaube jeder Mensch verändert sich innerhalb eines Jahres und wenn man sich selbst auf einem Bildschirm sieht, weiß man natürlich wie man damals gedacht hat, und man erkennt Veränderungen. Ich glaube einfach in diesem letzten Jahr ist meine Liebe zur Welt im Allgemeinen viel sehr viel gewachsen - durch Lesen über Selbstverwirklichung oder Buddhismus und Meditation. Ich habe gerade erkannt wie wichtig es für mich ist meine Liebe mit anderen zu Teilen, und wenn man erst mal damit anfängt, dehnt sich diese Liebe aus und man bekommt sie zurück, auch wenn man das gar nicht erwartet, sondern einfach weil man so positiv über das Leben, über Menschen, über Berge, einfach über alle Dinge denkt.

Ich bin zwar wirklich stolz darauf wie Keven geworden ist, weil ich früher sehr selbstkritisch war und heute die positiven Dinge sehen kann. Aber für mich war es einfach ein sehr schönes Gefühl zu sehen, wie jeder von uns aus dem Film in diesem Jahr so viel gewachsen ist.

Diese Worte berühren mich ziemlich und ich denke, es sollte viel mehr Menschen geben, die einen solch positiven Blick auf die Welt haben.

fGR: Und willst Du mit der Schauspielerei weitermachen?

Robin: Ja, ich möchte auf jeden Fall noch eine Weile weitermachen, so lange bis ich mich für etwas anderes interessiere. Ich mag den Gedanken in meinem Leben drei Dinge zu machen, in denen ich gut werde. Und ansonsten einfach als Mensch zu lernen und dafür zu sorgen, dass mein Dasein auf der Erde für mich und die Menschen um mich herum so ergiebig ist wie möglich. Wenn das bedeutet, dass ich irgendwann mit dem Schauspielern aufhöre, dann wäre ich dafür auf jeden Fall offen, aber im Moment sehe ich mich eigentlich nichts anderes tun.

fGR: Dankeschön für Deine Zeit und das Interview!

Ich habe ehrlich gesagt nicht mit einem so ehrlichen und inspirierenden Interview gerechnet und mich erfüllt danach ein behagliches Gefühl. Weil mir die Lieder im Film wirklich gut gefallen haben und ich sie nicht finden konnte, teilt Robin mit mir die Version von "Voyage Voyage", die am Ende gespielt wird. Und während wir noch ein bisschen über den Film sprechen und ich zugebe, dass ich den Film gerne noch einmal sehen würde, um die ganzen Dinge zu sehen, die einem beim ersten Mal entgehen, schenkt mir Robin zu meiner Freude noch zwei Tickets für die letzte Vorführung von la dense am Sonntag, so dass ich ihn gestern als meinen letzten Berlinale-Film dieses Jahres noch einmal ansehen konnte.

Nachdem wir zum Potsdamer Platz zurückgelaufen sind, verabschieden wir uns und ich mache mich auf den Heimweg um weiter an meiner aktuellen Kritik zu arbeiten - den ganzen restlichen Tag erfüllt von Freude und dem Gefühl von Liebe für die Welt, welches ich durch das Interview und Robins Worte bekommen habe.


© Laurent Guérin
© Berlinale
02.03.2020, Clara Bahrs

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