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Eine Kritik zu „Anne at 13.000 FT“

Trotz Lesen des Beschreibungstextes im Vorfeld hatte ich wenig Vorstellung welche Art Film mich mit „Anne at 13.000 FT“ erwarten würde. Und auch im Nachhinein fällt es mir schwer den Inhalt des Forum-Filmes, der im 14-Plus Programm als Cross-Section gezeigt wurde, zu beschreiben.

Das Publikum begleitet 75 Minuten lang den Alltag von Anne: Wie sie in einer Tagesstätte für verhaltensauffällige Kinder arbeitet, Besuch von ihrer Mutter in der frisch bezogenen Wohnung bekommt oder Fallschirm springt.

Es ist schwierig und dauert seine Zeit, bis ich in den Film hineingefunden habe. Durch häufig wechselnde Filmsequenzen, Zeitsprünge und Großaufnahmen mit wackeliger Kameraführung ist es fast schon anstrengend dem Geschehen auf der Leinwand zu folgen und führt zum Verlust jeglicher Orientierung von Zeit und Ort. Stattdessen liegt der Fokus auf Annes Mimik, ihrer Körpersprache und Emotionen. Die Machart des Filmes spiegelt die innere Verfassung von Anne wider - die Überforderung durch ihren Alltag, die fortwährende Suche nach Halt, den sie entweder nicht bekommt oder nicht annimmt, und ihre Zerfahrenheit.

Ich merke beim Zuschauen meine Anspannung und habe beinahe Angst vor Annes nächsten Handlungen - davor, was ihr und ihrem Umfeld durch ihre Labilität zustoßen könnte. Durch die schauspielerische Leistung von Deragh Campbell wird Annes psychische Instabilität sehr authentisch auf die Leinwand gebracht und es wird das Bild einer jungen Frau erzeugt, die ihren Platz in der Gesellschaft und bei sich selbst nicht findet.

Trotz der Kürze des Filmes und den hektischen und schnellen Szenen fühlt sich „Anne at 13.000 FT" unglaublich lang an und ich denke schon nach 20 Minuten an die verbleibende Zeit. Sowohl die vom Regisseur Kazik Radwanski geschaffene Homogenität von Filmstil, verwendeten Metaphern und der Thematik, als auch die Leistung der Schauspieler*innen sind zwar ohne Frage erwähnenswert und bilden ein sehr glattes Gesamtwerk, trotzdem hindert mich etwas daran, vom Film gefesselt zu werden.

„Anne at 13.000 FT“ ist somit sicherlich ein interessanter Film, der in sich sehr durchdacht und geschlossen ist. Wer den Film als Kunstform an sich und seine Ästhetik mehr schätzt als seine zu erzählende Geschichte, für den ist die Arbeit von Kazik Radwanski durchaus empfehlenswert. Mir persönliche fehlte diese Komponente in „Anne at 13.000 FT“, sodass ich ihn zu den schwächeren Filmen der diesjährigen Generation zählen würde - obwohl er als Forum-Film natürlich außer Konkurrenz läuft.

Weitere Screenings während der Berlinale:

Samstag, 29.02.2020, 21:00 Uhr, CinemaxX 3
Sonntag, 01.03.2020, 19:30 Uhr, Werkstattkino@silent green

27.02.2020, Clara Bahrs

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