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Sein Glück selber in die Hand nehmen


Eine Kritik zu „H is for Happiness“

Gibt es einen besser passenden Filmtitel für die Generation-Eröffnung als „H is for Happiness“ denke ich mir, während ich voller Vorfreude auf die kommende Woche in der Schlange im noch etwas ungewohnten Kino „An der Urania“ stehe. Ich erwarte eine leichte, fröhliche Familienkomödie, mit der die langersehnte Berlinale-Woche eingeleitet wird. Doch nachdem die letzte Szene in den Abspann übergeht, sitze ich in meinem Kinositz - die Tränen zwar wieder getrocknet, aber völlig überrascht und berührt von einem tiefgründigen, vielschichtigen und dennoch unglaublichen amüsanten Film.

„H is for Happiness“ erzählt die Geschichte der zwölfjährigen Candice Chee (Daisy Axon), die mit ihrer Familie in einer westaustralischen Kleinstadt aufwächst. Schnell wird deutlich, dass die Verhältnisse in dem Leben des immerzu fröhlichen, aufgeweckten und forschen Mädchen nicht ganz so farbenfroh und wie die ersten Minuten des Filmes. Seit dem Tod ihrer kleinen Schwester leidet Candices Mutter an Depressionen; ihr Vater, der durch einen Geschäftsstreit mit seinem Bruder - von Candice liebevoll „Rich Uncle Brian“ genannt - zerstritten ist und den Großteil des Tages isoliert in seiner Werkstatt neue Computerprogramme schreibt; und auch in der Schule wird Candice wegen ihrer besserwisserischen übereifrigen Art von ihren Mitschüler*Innen schikaniert, als die Klasse die Aufgabe bekommt zu jedem Buchstaben des Alphabetes eine Geschichte aus ihrem Leben zu präsentieren.

Doch als der neue Mitschüler Douglas Benson (Wesley Patten) in die Klasse kommt, der von sich behauptet aus einer anderen Galaxie zu stammen, und sich eine Freundschaft zwischen den beiden entwickelt, fasst Candice den Plan ihre Familie endlich wieder zusammenzuführen und versucht von diesem Tag an mit Hilfe von Douglas alles mögliche, um wieder ein innigeres Familienleben führen zu können.

Mit einem großen Schuss Humor bringt uns „H is for Happiness“ so eigentlich ein sehr trauriges und ernstes Thema nahe: ein Mädchen - von ihren Eltern vernachlässigt - das sich einfach nur ein glückliches Familienleben wünscht. Tag für Tag überlegt sich Candice mit aller Kraft und Phantasie neue Pläne um ihren Vater und Rich Uccle Brian zu versöhnen oder ihrer Mutter ein Lächeln ins Gesicht zu zaubert, doch alle Versuche scheinen nach hinten loszugehen und die Situation nur noch zu verschlimmern. Es ist ein völlig verdrehtes Familienbild - Eltern, die sich durch ihre eigenen Schwierigkeiten und Probleme nur auf sich selber fokussieren können und ein zurückgelassener junger Teenager, der alles mögliche zu tun versucht um etwas Liebe, Glück und Behutsamkeit in die Familie zu bringen.

Im Gegensatz dazu entwickelt sich durch die Freundschaft zu Douglas ein Gegenpol zur Familiensituation, der sich auch atmosphärisch im Film widerspiegelt. Bunte, satte Farben der Kleider und Natur und schwungvolle Musik in den Szenen, in denen Candice und Douglas auf Abenteuer gehen, stehen den blassen Farbtönen im geradezu karg wirkenden Haus ihrer Familie gegenüber. Während die Zeit mit Douglas etwas Geheimnisvolles an sich hat, Candice aufblüht und die beiden Kinder über Parallelexistenzen in anderen Dimensionen und magischen Pferden phantasieren, werden zu Hause alle Hoffnungen und Träume aus ihr hinausgesogen und die triste Realität kommt wieder an die Oberfläche. Dieser so starke Kontrast führt dazu, dass das Publikum hin- und hergerissen wird zwischen Lachen und Weinen, Euphorie und Mitleid, Wertschätzung von Candice und Empörung über ihr erwachsenes Umfeld; und der Film trotz seiner 100 Minuten nie an Wirkung verliert.

Dass „H is for Happiness“ über die ganze Zeit so authentisch und unterhaltsam bleibt, liegt vor allem an der schauspielerischen Leistung der beiden jungen Protagonist*innen. Daisy und Wesley schaffen es, ihre innere Gefühlswelt so überzeugend auf die Leinwand zu bringen, dass das Publikum das Gefühl bekommt, mit ihnen durch die Geschichte zu gehen und ihre Entscheidungen und Empfindungen förmlich mitfühlt.

So schafft es „H is for Happiness“ zum Nachdenken anzuregen und die Bedeutung von Familie, Freundschaft, Vertrauen und Liebe dem Publikum nahe zu bringen ohne die Form einer Komödie zu verlassen. Durch die leichte Art, mit der Regisseur John Sheedy diese ersten Themen in Szene setzt, ist beeindruckend. „H is for Happiness“ macht mir wieder einmal deutlich, wie wichtig eine funktionierende Familie ist, die sich gegenseitig unterstützt und liebt, und wie glücklich ich mich schätzen kann, eine umsorgte Kindheit gehabt zu haben. Der Appell des Filmes richtet sich sowohl an Groß und Klein, weswegen ich nur eine Empfehlung für Allerlei aussprechen kann!

Weitere Vorführungen von „H is for Happiness“:

So, 23.02. 12:30 Uhr Filmtheater am Friedrichshain
Di, 25.02. 09:30 Uhr Zoo Palast 1
Mi, 26.02. 11:00 Uhr Cubix 8
So, 01.03. 09:30 Uhr Filmtheater am Friedrichshain


22.02.2020, Clara Bahrs

Kommentare

  1. Hallo Clara,
    vielen Dank für deine ausführliche Kritik. Ich für meinen Teil fand das Ende des Filmes "H is for Happiness" leider viel zu überspitzt. Für micht hat es die, wie du es beschreibst, tiefgründige und vielschichtige Komödie zerstört, dass am Ende die Probleme des Mädchens auf eine sehr plakative Art und Weise einfach weggelacht wurden. Trotzdem hat mir der Film gerade in seiner detailverliebt hat sehr gefallen, konnte für mich aber leider nicht als "Kinderfilm" mit dem Eröffnungsfilm des letzten Jahres "Cleo" mithalten.

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